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Leseprobe: 2.1 Was also tun?

Nach der Lektüre von Shoshanna Zuboffs „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ (Zuboff, 2018) und anderen Schriften, die sich mit dystopischen – an die Zeit der Eroberungen durch die spanischen Konquistadoren erinnernde – Auswirkungen der Digitalisierung auseinandersetzen, fällt es schwer zu glauben, dass es möglich sein wird, den darin beschriebenen Fallen zu entgehen. Diese Aufgabe scheint äußerst schwierig.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die schwierigsten Aufgaben sich oft als notwendig erweisen, um in komplexen Situationen das erwünschte Gleichgewicht und damit einen Aspekt von Stabilität herstellen zu können. Dies kann nicht bedeuten einen Status quo aufrechterhalten zu wollen. Im Gegenteil, es geht darum, mit dem Wissen um die Vergangenheit und dem Verständnis der Prinzipien, die den beobachteten Phänomenen zugrunde liegen, eine Vorstellung der gesellschaftlichen Zukunft zu entwerfen. Denn die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Ökonomie und damit auf die Lebensgrundlagen aller Menschen zeigen paradoxe Abläufe, wie sie schon mehrmals in der Geschichte der letzten Jahrtausende aufgetreten sind. Der derzeitige Einsatz neuer Technologien beschleunigt diese jedoch um ein Vielfaches im Vergleich zu Beobachtungen in der Vergangenheit und umspannt gleichsam in Echtzeit die gesamte Welt. Es stellt sich nicht die Frage, ob Digitalisierung – und alle damit einhergehenden Entwicklungen – umfassend und vielfältig in sämtliche Lebensbereiche eingreift, sondern wie Gesellschaft und Politik auf die damit einhergehenden Veränderungen reagieren und ob sie damit gestaltenden Einfluss haben. Esergibt sich die Notwendigkeit, sich mit den grundlegenden Prinzipien der aktuellen Vorgänge auseinanderzusetzen und Vorstellungen zur Gestaltung einer humanen digitalen Gesellschaft zu formulieren.

Der Begriff Digitalisierung beinhaltet ein vielschichtiges Spektrum von unterschiedlichen Anwendungen, Werkzeugen und Praktiken im Bereich von Technologie, Information und Automatisierung. Immer abhängig davon, aus welcher Sicht Beobachtende argumentieren. Transdisziplinärer wissenschaftlicher Diskurs von Geistes- und Sozialwissenschaften und IT- und Kommunikationswissenschaften mit kritischem Blick auf – in der Vergangenheit mühsam erarbeitete Erkenntnisse wird gefordert. Gepaart mit Vorstellungskraft und Kreativität zur Entwicklung einer humanistisch und menschlich orientierten digitalen Zukunft.

Schlagworte wie Breitbandausbau, Laptops und Tablets in Schulen, die Bedienung von Computern, Smartphones und hippen Gadgets oder das Erlernen von Coding als taktische Vorhaben zu nennen, wie dies bei ideologisch, politisch oder ökonomisch motivierten Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum der Fall ist, mögen nett klingen, sind aber bei weitem nicht ausreichend. Es mag von essenziellem Interesse für wirtschaftlichen Erfolg in manchen Bereichen sein, mit digitalen Geräten kommunizieren und arbeiten zu können. Der Hinweis auf Algorithmen und künstliche Intelligenz klingt jedoch vielfach nach Glaubensbekenntnis, gerichtet an einen scheinbar höheren Auftrag der Technik und vernachlässigt dabei gerne den Blick auf Menschen.